Scroll Top
recht-politik-in-osterreich-geschlechtseintrag

Recht & Politik in Österreich

Recht & Politik in Österreich

Das Geschlecht gehört zu den Personenstandsdaten eines Menschen. Das österreichische Personenstandsgesetz nennt keine Geschlechtskategorien für die Angabe des Geschlechts.

Der Verfassungsgerichtshof hielt jedoch dazu 2018 fest, dass in der Rechtsordnung die Kategorisierung des “Geschlechts” in “weiblich” und “männlich” vorherrscht. Auch die soziale Realität würde immer noch überwiegend von einer binären Einteilung in Menschen männlichen oder weiblichen Geschlechts ausgehen. Diese Einschätzung der sozialen Realität mag heute relativiert sein, grundsätzlich verändert habe sie sich aber nicht, so der VfGH.

Es gibt jedoch auch Menschen, deren Geschlechtsentwicklung gegenüber einer männlichen oder weiblichen Geschlechtsentwicklung Varianten aufweist (intersexuelle Personen). Sie weisen eine atypische Entwicklung des chromosomalen, anatomischen oder hormonellen Geschlechts auf, die die Einordnung eines Menschen als männlich oder weiblich nicht eindeutig zulässt. Für diese Personen gibt es seit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2018 die Möglichkeit eines eigenständigen Geschlechtseintrags.

Informationen über das Geschlecht sind spätestens eine Woche nach der Geburt an das Zentrale Personenstandsregister (ZPR) zu übermitteln. Außerdem ist das Geschlecht bei der Eintragung der Personenstandsfälle (Geburt, Eheschließung, Begründung einer eingetragenen Partnerschaft und Tod) und auf Personenstandsurkunden (Geburtsurkunde, Heiratsurkunde, Sterbeurkunde etc.) anzugeben.

Den zur Anzeige der Geburt Verpflichteten obliegt es im Falle, dass beim Kind eine eindeutige Zuordnung des Geschlechts zu männlich oder weiblich nicht möglich ist, “inter”, “divers” oder “offen” als Geschlechtsbezeichnung bekannt zu geben oder von jeglicher Angabe abzusehen. Für die Beurkundung ist allein die anlässlich der Anzeige gemachte Angabe ausschlaggebend.

Sobald die Zuordnung zu einem Geschlecht möglich ist, ist der Eintrag gem § 41 PStG 2013 zu ergänzen oder zu ändern. Da es sich hierbei um eine medizinische Frage handelt, die die Personenstandsbehörde nicht selbst beurteilen kann, wird diese Ergänzung regelmäßig nicht nach einer von der Behörde festgelegten Frist, sondern aufgrund einer entsprechenden Information des Betreffenden bzw. seines gesetzlichen Vertreters abhängig von der Entwicklung des Kindes zu erfolgen haben. Zu beachten ist, dass die Ergänzung des Geschlechtseintrags im ZPR nicht nur auf weiblich oder männlich, sondern auch auf “divers”, “inter” oder “offen” lauten kann oder ein bereits gemachter Eintrag zu löschen ist, sodass zum Geschlecht keine Angaben vorliegen. Wird zeitnah nach der Geburt das Geschlecht des Kindes eindeutig geklärt, so ist die Änderung der Eintragung im ZPR aufgrund einer fachärztlichen Bestätigung vorzunehmen.

männlich  Männer bzw. Trans-Männer
weiblich  Frauen bzw. Trans-Frauen
inter nur intersexuelle Personen
divers nur intersexuelle Personen
offen nur Neugeborene, bei denen eine eindeutige Zuordnung zum männlichen noch weiblichen Geschlecht nicht möglich ist
Streichung des Geschlechtseintrags  nur intersexuelle Personen
1. Zentrales Personenstandsregister und Personenstandsurkunden

Die Eintragung des Geschlechts erfolgt durch den Anzeiger der Geburt, also in der Regel den Arzt oder die Hebamme.

Die Rechtsgrundlage für die Eintragung des Geschlechts bildet der Erlass des Bundesinnenministerium aus dem Jahr 2019, der gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsministerium und dem Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt erarbeitet wurde. Der Erlass regelt, wie mit der Geschlechtseintragung im Zentralen Personenstandsregister umgegangen werden soll. Neben den Eintragungsmöglichkeiten „männlich“ und „weiblich“ steht nun auch „inter“, „divers“ und „offen“ zur Verfügung, sowie die Möglichkeit der Streichung des Geschlechtseintrags.

Exkurs: Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom 15. Juni 2018 zum dritten Geschlecht

Das österreichische Personenstandsgesetz fordert die Angabe des Geschlechts als Personenstandsdatum. Der intergeschlechtliche Antragsteller begehrte im Anlassverfahren statt „männlich“ oder „weiblich“ die Bezeichnung „inter“ oder etwas Ähnliches anführen zu dürfen und begründete dies mit seinem Recht auf individuelle Geschlechtsidentität, das laut Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aus Art 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) abgeleitet werden könne.

Der VfGH bestätigte dieses Recht, kam aber zu dem Schluss, dass die Bestimmung des österreichischen Personenstandsrechts nicht verfassungswidrig sei und daher nicht aufgehoben werden müsste. Vielmehr sei der von § 2 Abs 2 Z 3 Personenstandsgesetz (PStG) 2013 verwendete Begriff des Geschlechts so allgemein, dass er sich ohne Schwierigkeiten dahingehend verstehen lasse, dass er auch alternative Geschlechtsidentitäten miteinschließe, so das Höchstgericht.

Da sich entsprechend der Judikatur des EGMR aus Art 8 EMRK ein Recht auf individuelle Geschlechtsidentität ableite, ergebe sich daraus laut VfGH insbesondere auch das Recht von Menschen mit „alternativer Geschlechtsidentität“, sich nicht einem fremdbestimmten Geschlecht zuweisen lassen zu müssen. Daraus ergebe sich die Pflicht des Gesetzgebers, „eine Zuordnung zu einem Geschlecht solange offen zu lassen, bis Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich eine solche selbstbestimmte Zuordnung ihrer Geschlechtsidentität möglich ist“.

Dieses Recht umfasse auch die Pflicht von Personenstandsbehörden, bei Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber „männlich“ oder „weiblich“ auf Antrag eine alternative Bezeichnung einzutragen. Das Höchstgericht nimmt dabei Bezug auf die Stellungnahme der Bioethikkommission und zitiert die Bezeichnungen „divers“, „inter“ oder „offen“. Diese Bezeichnungen brächten „im Sprachgebrauch mit hinreichender Deutlichkeit das Gemeinte“ zum Ausdruck, „nämlich das Geschlecht bzw. die Geschlechtsidentität eines Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich, der sich keinem der konventionellen Geschlechter zugehörig fühlt“.

Das österreichische Personenstandsgesetz sah schon vorher die Möglichkeit vor, Angaben zum Geschlecht bei nicht eindeutiger Zuordenbarkeit offen zu lassen. Seit der VfGH-Entscheidung muss bei der Erhebung der Personenstandsangabe „Geschlecht“ auch die Möglichkeit eingeräumt werden, positiv eintragen zu lassen, dass man sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlt.

Dem Gesetz- und Verordnungsgeber sei es zudem unbenommen, eine konkretere Festlegung (und begriffliche Eingrenzung) „der Bezeichnung des Geschlechts als allgemeines Personenstandsdatum für Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich“ vorzunehmen. „Art. 8 EMRK verlange nämlich keine beliebige Wahl der begrifflichen Bezeichnung des eigenen Geschlechts“, so der Verfassungsgerichtshof.

2. Reisepass

In Reisepässen ist neben den Einträgen „F“ für „weiblich“ und „M“ für „männlich“, für intergeschlechtliche Personen auch der Eintrag “X” für “non-specified/unbestimmt” möglich.

Rechtsgrundlage:

EG-Verordnung Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten

Dokument 9303 der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO), Teil 4, Kapitel 4.1.1.1: Geschlecht des Passinhabers ist mit den Großbuchstaben “F for female, M for male, or X for unspecified” anzugeben.

1. Intersexuelle Personen

Bei intersexuellen Personen kann auf Antrag die Eintragung des Geschlechts im ZPR und in den personenstandsrechtlichen Urkunden geändert, ergänzt, berichtigt oder wieder gestrichen werden.

 

VON ZU ERFORDERNIS
divers/ inter /offen divers/ inter/ offen Antrag
kein Eintrag divers/ inter/ offen Antrag
weiblich/ männlich divers/ inter/ offen/ Streichung des Eintrags Antrag + Fachgutachten
divers/ inter/ offen/ kein Eintrag weiblich/ männlich Antrag + Fachgutachten

 

Eine Änderung der Begriffe “divers”, “inter” oder “offen” hin zu einem dieser Begriffe oder eine Streichung dieser erfolgt auf Antrag des Betroffenen, ohne dass es dazu einer besonderen Begründung bedarf.

Ebenso verhält es sich, wenn ein Eintrag dieser Begriffe erfolgen soll, wenn bislang keine Eintragung vorgenommen worden war oder wenn die bisherigen Eintragungen “inter”, “divers” oder “offen” gestrichen werden sollen.

Eine Berichtigung des Eintrags “männlich” oder “weiblich” auf den Begriff “divers”, “inter” oder “offen” bzw. eine Streichung eines solchen Eintrags ist auf Basis eines Fachgutachtens durchzuführen, das Aufschluss darüber gibt, ob aufgrund einer atypischen Entwicklung des chromosomalen, anatomischen und/oder hormonellen Geschlechts, eine Zuordnung zum männlichen oder weiblichen Geschlecht nicht möglich ist.

Eine Berichtigung der Einträge “inter”, “divers” oder “offen” auf “männlich” oder “weiblich” bzw. einer Ergänzung eines bisher nicht vorgenommenen Geschlechtseintrags durch “männlich” oder “weiblich” kann ebenfalls nur aufgrund eines entsprechenden Fachgutachtens erfolgen.

Eine Berücksichtigung des Willens der mit der Obsorge betrauten Personen ist bei der Änderung oder Berichtigung des  Geschlechtseintrags nicht vorgesehen. Es wird jedoch als sinnvoll erachtet, bei mehreren alternativen Bezeichnungen bzw. den fehlenden Eintrag mit ihnen abzustimmen.

Quelle: Neuer Erlass zum Geschlechtseintrag, Ulrich Pesendorfer, iFamZ 2020, 339

 

2. Transidente Personen

Das österreichische Recht sieht vor, dass ein juristischer Geschlechtswechsel möglich ist, wenn der Geschlechtseintrag unrichtig geworden ist.

Vor 2009 war ein operativer Eingriff, wie etwa die Entfernung der primären Geschlechtsmerkmale, Voraussetzung für eine juristische Geschlechtsänderung. Diese Bedingung hat der VwGH 2009 aufgebhoben. Seither gelten in Österreich folgende Voraussetzungen:

1. Vorhandensein einer „zwanghaften“ Vorstellung im falschen Geschlecht zu leben,
2. Vornahme geschlechtskorrigierender Maßnahmen, die eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts gewährleisten,
3. hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich am Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nichts mehr ändern wird.

Standesämter haben unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgerichtshof formulierten Voraussetzungen über Anträge auf Personenstandsänderung zu entscheiden.

Rechtsgrundlage:
§ 41 Personenstandsgesetz

In Österreich ist ein juristischer Geschlechtswechsel nach § 41 Personenstandsgesetz möglich. Der Paragraf sieht vor, dass eine Personenstandsbehörde eine Eintragung zu ändern hat, wenn sie nach der Eintragung unrichtig geworden ist.

Urteil des Verwaltungsgerichtshofs, 27. Februar 2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Urteil entschieden, “dass ein schwerwiegender operativer Eingriff, wie etwa die von der belangten Behörde geforderte Entfernung der primären Geschlechtsmerkmale, keine notwendige Voraussetzung für eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts ist”.
Das Gericht formulierte daraufhin die Voraussetzungen nach welchen die Personenstandsbehörde die Beurkundung des Geschlechts im Personenstandsregister zu ändern hat: “In Fällen, in denen eine Person unter der zwanghaften Vorstellung gelebt hat, dem anderen Geschlecht zuzugehören, und sich geschlechtskorrigierender Maßnahmen unterzogen hat, die zu einer deutlichen Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts geführt haben, und bei der mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass sich am Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nichts mehr ändern wird”.

 

3. Vornamensänderung

Nach der Änderung des Geschlechtseintrags im Zentralen Personenstandsregister kann ein neuer, geschlechtsspezifischer Vorname durch eine Vornamensänderung von Erwachsenen bzw. Minderjährigen angenommen werden. Schließlich stellt das Standesamt eine neue Geburtsurkunde aus, die keinen Hinweis auf eine Änderung des Personenstands enthält. Mit der neuen Geburtsurkunde kann die Neuausstellung aller relevanten Dokumente wie zum Beispiel Meldezettel, Staatsbürgerschaftsnachweis, Reisepass und Führerschein beantragt werden. Auf die Neuausstellung dieser Ausweispapiere besteht Rechtsanspruch. Auf die Ausstellung neuer Dokumente wie etwa Schul-, Universitäts- oder Dienstzeugnisse besteht ein solcher Rechtsanspruch jedoch nicht.

Quelle: Stadt Wien | Wiener Antidiskriminierungsstelle für LGBTIQ-Angelegenheiten

Der Leitfaden des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung bildet die Grundlage für die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache an Schulen, Universitäten und bei wissenschaftlichen Arbeiten und zeigt verschiedene Formen der geschlechtergerechten Sprache auf. Das sogenannte „Binnen-I“ wird in dem Leitfaden – entsprechend den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Rechtschreibrates – nicht empfohlen.

Schule:

Der ehemalige Bildungsminister Heinz Faßmann stellte in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung klar, dass geschlechtergerechte Sprache an Schulen

  •  in einer altersadäquaten und praktikablen Art und Weise vermittelt werden soll.
  •  Lehrkräfte seien im jeweiligen fachlichen Zuständigkeitsbereich für die Vermittlung und Umsetzung verantwortlich.
  •  Bei der frühen Schrift-/Sprachvermittlung stehe die Erlernbarkeit im Mittelpunkt. Dies soll die Anwendung und Vermittlung einer geschlechtergerechten Sprache jedoch nicht ausschließen.

Es gibt bundesweit Bestrebungen, Empfehlungen zu entwickeln, um “Geschlechtervielfalt” sprachlich adäquat abzubilden. Sobald dahingehende Empfehlungen vorliegen, würde das Bildungsministerium entscheiden, inwiefern und inwieweit davon auch der geschlechtergerechte Sprachgebrauch an den Schulen betroffen sein soll.

Universität:
Die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache ist an allen hochschulischen Einrichtungen rechtlich geboten.
  • Die Gleichstellung der Geschlechter ist im Universitätsgesetz 2002 (UG) als leitender Grundsatz verankert. Dieser umfasst die Sichtbarmachung der Geschlechter in der Sprache.
  •  Die gesetzliche Grundlage für geschlechtergerechte Formulierungen findet sich in § 10a des
    Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes (B-GlBG) , welches auf Grund von § 44 UG auf die Universitäten anzuwenden ist.
  • Die konkrete sprachliche Umsetzung liegt im Autonomiebereich der Universitäten, die im Regelfall eigene Sprachleitfäden haben.
Wissenschaftliche Arbeiten und Lehrveranstaltungen:
  •  Gemäß § 76 Abs. 2 UG haben die Leiterinnen und Leiter von Lehrveranstaltungen die Studierenden über die Beurteilungskriterien und die Beurteilungsmaßstäbe hinsichtlich der Prüfungsleistungen in den jeweiligen Lehrveranstaltungen zu informieren.
  •  Es obliegt somit den Leiterinnen und Leitern von Lehrveranstaltungen sowie
    Betreuerinnen und Betreuern von schriftlichen bzw. wissenschaftlichen Arbeiten, ob sie die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache als Beurteilungskriterium heranziehen oder nicht.
  •  Eine fehlende Umsetzung einer gendergerechten Sprache kann in die Beurteilung von Studienleistungen und insbesondere von schriftlichen Arbeiten, von Seminararbeiten bis hin zu Dissertationen, einfließen.
Pädagogische Hochschule:
Im Hochschulgesetz 2005 (HG) (§ 9 Abs. 6 Z 12) ist die Gleichbehandlung und Gleichstellung von Frauen und Männern als leitender Grundsatz festgelegt. Einige Pädagogische Hochschulen, darunter die Pädagogische Hochschule Niederösterreich, haben eigene Richtlinien für geschlechterinklusives Formulieren in schriftlichen Arbeiten herausgegeben.
(Quelle: Anfragebeantwortung vom 21. Juni 2021 des ehemaligen Bildungsministers Heinz Faßmann betreffend Gender Richtlinien an Schulen, Universitäten und im Bereich wissenschaftlichen Arbeitens)
1. Medizinische Praxis in Österreich

In Österreich werden Entscheidungen, ob, wann und wie medizinische Maßnahmen
durchgeführt werden, im Kindesalter möglichst zurückhaltend, unter intensiver Aufklärung der Eltern und in Abstimmung mit interdisziplinären Teams und unter wesentlicher Berücksichtigung der psychosozialen Aspekte, getroffen. Oberstes Ziel ist dabei die Erhaltung bzw. Ermöglichung der sexuellen Empfindsamkeit und der Fortpflanzungsfähigkeit.

 

2. Stellungnahme der Bioethikkommission „Intersexualität und Transidentität“

In diesem Sinne lautet auch die einstimmige Empfehlung der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt aus dem Jahr 2017, die weiterhin ihre Gültigkeit hat.

 

3. Entschließung des Nationalrates vom 16.06.2021: „Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen vor medizinisch nicht notwendigen Behandlungen an den Geschlechtsmerkmalen“

Der Nationalrat hat 2021 beschlossen, intergeschlechtliche Kinder und Jugendliche und ihre körperliche Unversehrtheit wirksam vor medizinischen Eingriffen, die „kein dauerhaftes körperliches Leiden, eine Gefährdung des Lebens oder die Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit bzw. starker Schmerzen abwenden“, schützen zu wollen.
Hintergrund dieses Anliegens ist die Sorge, dass intergeschlechtliche Kinder und Jugendliche „in vielen Staaten weltweit medizinisch nicht notwendige Behandlungen an den Geschlechtsmerkmalen, ohne vorherige, voll-informierte und höchstpersönliche Einwilligung“ erleben würden. Laut Berichten von Interessensvertretungen wie dem Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ) oder auch der Selbsthilfegruppe AGS Österreich verfolgen physische und psychische Belastungen, die mit diesen Eingriffen einhergehen, Betroffene mitunter ein Leben lang.

 

4. Kinder mit adrenogenitalem Syndrom (AGS)

Das Justizministerium verfolgt ein umfangreiches Vorhaben zu Adaptierungen im
Kindschaftsrecht. Dabei spielt die Frage, ob Kinder mit AGS (adrenogenitalem Syndrom) als intersexuell einzuordnen sind, eine wichtige Rolle. AGS ist eine genetisch bedingte Erkrankung der Nebenniere, die mit einer Fehlbildung im Urogenitalbereich (Variante der Geschlechtsentwicklung, VdG, bzw. disorders/differencies of sexual development, DSD) einhergehen kann (Einstufung bei AGS Mädchen etwa nach Prader I-V). Während der VIMÖ (Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich) u.a. AGS den Varianten der Geschlechtsentwicklung (VdG) zuordnen möchte und daher auch bei diesen Kindern Eingriffe zur Angleichung meist rein anatomischer Abweichungen verboten wissen will, wehren sich die Betroffenenvertreter von Menschen mit AGS vehement gegen diese Einstufung. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich betonen die Selbsthilfegruppen, die nach eigenen Angaben fast alle Betroffenen und ihre Angehörigen zu ihren Mitgliedern zählen, dass das chromosomale Geschlecht sowie die inneren Geschlechtsorgane bei AGS-Kindern stets eindeutig seien und daher keine Einstufung als VdG gerechtfertigt werden könne.
Auch die Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt zeigte sich in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2017 skeptisch, AGS zu den Varianten der Geschlechtsentwicklung zu zählen.

Das Gesundheitsministerium hat im Jahr 2017 Empfehlungen für den Behandlungsprozess bei Geschlechtsdysphorie von Kindern und Jugendlichen bzw. bei Geschlechtsdysphorie und Transsexualismus von Erwachsenen ausgearbeitet.

Die Empfehlungen orientieren sich an internationalen Vorgaben (Standards of Care for the Health of Transsexual, Transgender and Gender Noncoforming People der WPATH – World Professional Association for Transgender Health). Sie richten sich an alle im Behandlungsprozess beteiligten Berufsgruppen, an die mit der Vollziehung des Personenstandsrechts betrauten Verwaltungsbehörden und an betroffene Personen.

Die Empfehlungen sind rechtlich nicht bindend und sind nicht im Zusammenhang mit der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zu sehen.
Mehr zum in Österreich empfohlenen Behandlungsprozess erfahren Sie unter „Trans“.

Nationalrat stimmt für gesetzliches Verbot von “Konversionstherapien” an Minderjährigen

Bereits seit 2018 wird in Österreich ein Verbot von „Konversionstherapien“ diskutiert. Am 2. Juli 2019 stimmte der Nationalrat einstimmig dem von der SPÖ und ÖVP eingebrachten Entschließungsantrag zu, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, eine Regierungsvorlage auszuarbeiten, „mit der die Ausübung von sogenannten Konversions- und vergleichbaren ‘reparativen Therapieformen’ an Minderjährigen verboten“ werden sollte.

Laut Fachgremium bietet geltende Rechtslage ausreichend Schutz

Daraufhin wurde der Beirat für psychische Gesundheit durch das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) mit der Materie befasst. Dieser kam zum Schluss, dass die geltende Rechtslage aus fachlicher Sicht ausreichend Maßnahmen und Instrumente anbietet, um der Ausübung derartiger Verfahren im Bereich der Psychotherapie entgegenzutreten. Darüber hinaus sei im Zeitraum von 25 Jahren kein Fall von „Konversionstherapie“ bekannt geworden. Auch der Fachgesellschaft seien derartige Angebote nicht bekannt. Der Beirat hielt daher fest, dass auf Basis der derzeit gültigen Gesetze keine Notwendigkeit für ein Verbot von „Konversionstherapien“ besteht.

Wiederholte Forderungen nach einem Verbot von “Konversionstherapien”

Trotz dieser Einschätzung des Fachgremiums wird von Seiten einiger Abgeordneter weiterhin auf die Umsetzung der Entschließung aus dem Jahr 2019 gedrängt. Zuletzt reichte der NEOS-Abgeordnete Yannick Shetty im März 2023 einen Entschließungsantrag ein, in dem er die Bundesregierung zum wiederholten Male zur Vorlage einer Regierungsvorlage zum Verbot von sogenannten „Konversions- und vergleichbaren ‘reparativen Therapieformen’ an Minderjährigen“ aufforderte.

Ausführliche Informationen zum Themenkomplex “Konversionstherapie” finden sich unter “Konversionstherapie“.

Das Geschlecht gehört zu den Personenstandsdaten eines Menschen. Das österreichische Personenstandsgesetz nennt keine Geschlechtskategorien für die Angabe des Geschlechts.

Der Verfassungsgerichtshof hielt jedoch dazu 2018 fest, dass in der Rechtsordnung die Kategorisierung des “Geschlechts” in “weiblich” und “männlich” vorherrscht. Auch die soziale Realität würde immer noch überwiegend von einer binären Einteilung in Menschen männlichen oder weiblichen Geschlechts ausgehen. Diese Einschätzung der sozialen Realität mag heute relativiert sein, grundsätzlich verändert habe sie sich aber nicht, so der VfGH.

Es gibt jedoch auch Menschen, deren Geschlechtsentwicklung gegenüber einer männlichen oder weiblichen Geschlechtsentwicklung Varianten aufweist (intersexuelle Personen). Sie weisen eine atypische Entwicklung des chromosomalen, anatomischen oder hormonellen Geschlechts auf, die die Einordnung eines Menschen als männlich oder weiblich nicht eindeutig zulässt. Für diese Personen gibt es seit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2018 die Möglichkeit eines eigenständigen Geschlechtseintrags.

Informationen über das Geschlecht sind spätestens eine Woche nach der Geburt an das Zentrale Personenstandsregister zu übermitteln. Außerdem ist das Geschlecht bei der Eintragung der Personenstandsfälle (Geburt, Eheschließung, Begründung einer eingetragenen Partnerschaft und Tod) und auf Personenstandsurkunden (Geburtsurkunde, Heiratsurkunde, Sterbeurkund etc.) anzugeben.

Den zur Anzeige der Geburt Verpflichteten obliegt es im Falle, dass beim Kind eine eindeutige Zuordnung des Geschlechts zu männlich oder weiblich nicht möglich ist, “inter”, “divers” oder “offen” als Geschlechtsbezeichnung bekannt zu geben oder von jeglicher Angabe abzusehen. Für die Beurkundung ist allein die anlässlich der Anzeige gemachte Angabe ausschlaggebend.

Sobald die Zuordnung zu einem Geschlecht möglich ist, ist der Eintrag gem § 41 PStG 2013 zu ergänzen oder zu ändern. Da es sich hierbei um eine medizinische Frage handelt, die die Personenstandsbehörde nicht selbst beurteilen kann, wird diese Ergänzung regelmäßig nicht nach einer von der Behörde festgelegten Frist, sondern aufgrund einer entsprechenden Information des Betreffenden bzw seines gesetzlichen Vertreters abhängig von der Entwicklung des Kindes zu erfolgen haben. Zu beachten ist, dass die Ergänzung des Geschlechtseintrags im ZPR nicht nur auf weiblich oder männlich, sondern auch auf “divers”, “inter” oder “offen” lauten kann oder ein bereits gemachter Eintrag zu löschen ist, sodass zum Geschlecht keine Angaben vorliegen. Wird zeitnah nach der Geburt das Geschlecht des Kindes eindeutig geklärt, so ist die Änderung der Eintragung im ZPR aufgrund einer fachärztlichen Bestätigung vorzunehmen.

männlich  Männer bzw. Trans-Männer
weiblich  Frauen bzw. Trans-Frauen
inter nur intersexuelle Personen
divers nur intersexuelle Personen
offen nur Neugeborene, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen
Streichung des Geschlechtseintrags  nur intersexuelle Personen
1. Zentrales Personenstandsregister und Personenstandsurkunden

Die Eintragung des Geschlechts erfolgt durch den Anzeiger der Geburt, also in der Regel den Arzt oder die Hebamme.

Die Rechtsgrundlage für die Eintragung des Geschlechts bildet der Erlass des Bundesinnenministerium aus dem Jahr 2019, der gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsministerium und dem Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt erarbeitet wurde. Der Erlass regelt, wie mit der Geschlechtseintragung im Zentralen Personenstandsregister umgegangen werden soll. Neben den Eintragungsmöglichkeiten „männlich“ und „weiblich“ steht nun auch „inter“, „divers“ und „offen“ zur Verfügung, sowie die Möglichkeit der Streichung des Geschlechtseintrags.

EXKUS: URTEIL DES VERFASSUNGSGERICHTSHOFS VOM 15. JUNI 2018 ZUM DRITTEN GESCHLECHT

Das österreichische Personenstandsgesetz fordert die Angabe des Geschlechts als Personenstandsdatum. Der intergeschlechtliche Antragsteller begehrte im Anlassverfahren statt „männlich“ oder „weiblich“ die Bezeichnung „inter“ oder etwas Ähnliches anführen zu dürfen und begründete dies mit seinem Recht auf individuelle Geschlechtsidentität, das laut Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aus Art 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) abgeleitet werden könne.

Der VfGH bestätigte dieses Recht, kam aber zu dem Schluss, dass die Bestimmung des österreichischen Personenstandsrechts nicht verfassungswidrig sei und daher nicht aufgehoben werden musste. Vielmehr sei der von § 2 Abs 2 Z 3 Personenstandsgesetz (PStG) 2013 verwendete Begriff des Geschlechts so allgemein, dass er sich ohne Schwierigkeiten dahingehend verstehen lasse, dass er auch alternative Geschlechtsidentitäten miteinschließe, so das Höchstgericht.

Da sich entsprechend der Judikatur des EGMR aus Artikel 8 EMRK ein Recht auf individuelle Geschlechtsidentität ableite, ergebe sich daraus laut VfGH insbesondere auch das Recht von Menschen mit „alternativer Geschlechtsidentität“, sich nicht einem fremdbestimmten Geschlecht zuweisen lassen zu müssen. Daraus ergebe sich die Pflicht des Gesetzgebers, „eine Zuordnung zu einem Geschlecht solange offen zu lassen, bis Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich eine solche selbstbestimmte Zuordnung ihrer Geschlechtsidentität möglich ist“.

Dieses Recht umfasse auch die Pflicht von Personenstandsbehörden, bei Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber „männlich“ oder „weiblich“ auf Antrag eine alternative Bezeichnung einzutragen. Das Höchstgericht nimmt dabei Bezug auf die Stellungnahme der Bioethikkommission und zitiert die Bezeichnungen „divers“, „inter“ oder „offen“. Diese Bezeichnungen brächten „im Sprachgebrauch mit hinreichender Deutlichkeit das Gemeinte“ zum Ausdruck, „nämlich das Geschlecht bzw. die Geschlechtsidentität eines Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich, der sich keinem der konventionellen Geschlechter zugehörig fühlt“.

Das österreichische Personenstandsgesetz sah schon vorher die Möglichkeit vor, Angaben zum Geschlecht bei nicht eindeutiger Zuordenbarkeit offen zu lassen. Seit der VfGH-Entscheidung muss bei der Erhebung des Personenstandsdatums „Geschlecht“ auch die Möglichkeit eingeräumt werden, positiv eintragen zu lassen, dass man sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlt.

Dem Gesetz- und Verordnungsgeber sei es zudem unbenommen, eine konkretere Festlegung (und begriffliche Eingrenzung) „der Bezeichnung des Geschlechts als allgemeines Personenstandsdatum für Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich“ vorzunehmen. „Art 8 EMRK verlange nämlich keine beliebige Wahl der begrifflichen Bezeichnung des eigenen Geschlechts.“, so der Verfassungsgerichtshof.

2. Reisepass

In Reisepässen ist neben den Einträgen „F“ für „weiblich“ und „M“ für „männlich“, für intergeschlechtliche Personen auch der Eintrag “X” für “non-specified/unbestimmt” möglich.

Rechtsgrundlage:

EG-Verordnung Nr. 2252/2004 des Rates vom 13. Dezember 2004 über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten

Dokument 9303 der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO), Teil 4, Kapitel 4.1.1.1: Geschlecht des Passinhabers ist mit den Großbuchstaben “F for female, M for male, or X for unspecified” anzugeben.

1. Intersexuelle Personen

Bei intersexuellen Personen kann auf Antrag die Eintragung des Geschlechts im ZPR und in den personenstandsrechtlichen Urkunden geändert, ergänzt, berichtigt oder wieder gestrichen werden.

 

VON ZU ERFORDERNIS
divers/ inter /offen divers/ inter/ offen: Antrag
kein Eintrag divers/ inter/ offen/ Antrag
weiblich/ männlich divers/ inter/ offen/ Streichung des Eintrags Fachgutachten
divers/ inter/ offen/ kein Eintrag weiblich/ männlich Fachgutachten

 

Eine Änderung der Begriffe “divers”, “inter” oder “offen” hin zu einem dieser Begriffe oder eine Streichung dieser erfolgt auf Antrag des Betroffenen, ohnedass es dazu einer besonderen Begründung bedarf.

Ebenso verhält es sich, wenn ein Eintrag dieser Begriffe erfolgen soll, wenn bislang keine Eintragung vorgenommen worden war oder wenn die bisherigen Eintragungen “inter”, “divers” oder “offen” gestrichen werden sollen.

Eine Berichtigung des Eintrags “männlich” oder “weiblich” auf den Begriff “divers”, “inter” oder “offen” bzw eine Streichung eines solchen Eintrags ist auf Basis eines Fachgutachtens durchzuführen, das Aufschluss darüber gibt, ob aufgrund einer atypischen Entwicklung des chromosomalen, anatomischen und/oder hormonellen Geschlechts, eine Zuordnung zum männlichen oder weiblichen Geschlecht nicht möglich ist.

Eine Berichtigung der Einträge “inter”, “divers” oder “offen” auf “männlich” oder “weiblich” bzw einer Ergänzung eines bisher nicht vorgenommenen Geschlechtseintrags durch “männlich” oder “weiblich” kann ebenfalls nur aufgrund eines entsprechenden Fachgutachtens erfolgen.

Eine Berücksichtigung des Willens der mit der Obsorge betrauten Personen ist bei der Änderung oder Berichtigung des  Geschlechtseintrags nicht vorgesehen. Es wird jedoch als sinnvoll erachtet, bei mehreren alternativen Bezeichnungen bzw. den fehlenden Eintrag mit ihnen abzustimmen.

Quelle: Neuer Erlass zum Geschlechtseintrag, Ulrich Pesendorfer, iFamZ 2020, 339

 

2. Transidente Personen

Das österreichische Recht sieht dazu vor, dass ein juristischer Geschlechtswechsel möglich ist, wenn der Geschlechtseintrag unrichtig geworden ist.

Vor 2009 war ein operativer Eingriff, wie etwa die Entfernung der primären Geschlechtsmerkmale, Voraussetzung für eine juristische Geschlechtsänderung. Diese Bedingung hat der VwGH 2009 aufgebhoben. Seither gelten in Österreich folgende Voraussetzungen:

1. Vorhandensein einer „zwanghaften“ Vorstellung im falschen Geschlecht zu leben,
2. Vornahme geschlechtskorrigierender Maßnahmen, die eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts gewährleisten,
3. hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich am Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nichts mehr ändern wird.

Standesämter haben unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgerichtshof formulierten Voraussetzungen über Anträge auf Personenstandsänderung zu entscheiden.

Rechtsgrundlage:
§ 41 Personenstandsgesetz

In Österreich ist ein juristischer Geschlechtswechsel nach § 41 Personenstandsgesetz möglich. Der Paragraf sieht vor, dass eine Personenstandsbehörde eine Eintragung zu ändern hat, wenn sie nach der Eintragung unrichtig geworden ist.

Urteil des Verwaltungsgerichtshofs, 27. Februar 2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Urteil entschieden, “dass ein schwerwiegender operativer Eingriff, wie etwa die von der belangten Behörde geforderte Entfernung der primären Geschlechtsmerkmale, keine notwendige Voraussetzung für eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts ist”.
Das Gericht formulierte daraufhin die Voraussetzungen nach welchen die Personenstandsbehörde die Beurkundung des Geschlechts im Personenstandsregister zu ändern hat: “In Fällen, in denen eine Person unter der zwanghaften Vorstellung gelebt hat, dem anderen Geschlecht zuzugehören, und sich geschlechtskorrigierender Maßnahmen unterzogen hat, die zu einer deutlichen Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts geführt haben, und bei der mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass sich am Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nichts mehr ändern wird”.

 

3. Vornamensänderung

Nach der Änderung des Geschlechtseintrags im Zentralen Personenstandsregister kann ein neuer, geschlechtsspezifischer Vorname durch eine Vornamensänderung von Erwachsenen bzw. Minderjährigen angenommen werden. Schließlich stellt das Standesamt eine neue Geburtsurkunde aus, die keinen Hinweis auf eine Änderung des Personenstands enthält. Mit der neuen Geburtsurkunde kann die Neuausstellung aller relevanten Dokumente wie zum Beispiel Meldezettel, Staatsbürgerschaftsnachweis, Reisepass und Führerschein beantragt werden. Auf die Neuausstellung dieser Ausweispapiere besteht Rechtsanspruch. Auf die Ausstellung neuer Dokumente wie etwa Schul-, Universitäts- oder Dienstzeugnisse besteht ein solcher Rechtsanspruch jedoch nicht.

Quelle: Stadt Wien | Wiener Antidiskriminierungsstelle für LGBTIQ-Angelegenheiten

Der Leitfaden des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung bildet die Grundlage für die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache an Schulen, Universitäten und bei wissenschaftlichen Arbeiten und zeigt verschiedene Formen der geschlechtergerechten Sprache auf. Das sogenannte „Binnen-I“ wird in dem Leitfaden – entsprechend den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Rechtschreibrates – nicht empfohlen.

Schule:
  •  Geschlechtergerechte Sprache soll in einer altersadäquaten und praktikablen Art und Weise vermittelt werden.
  •  Lehrkräfte sind im jeweiligen fachlichen Zuständigkeitsbereich für die Vermittlung und Umsetzung verantwortlich
  •  Bei der frühen Schrift-/Sprachvermittlung steht die Erlernbarkeit im Mittelpunkt. Dies schließt die Anwendung und Vermittlung einer geschlechtergerechten Sprache jedoch keinesfalls aus.

Es gibt bundesweit Bestrebungen, Empfehlungen zu entwickeln, wie Geschlechtervielfalt sprachlich adäquat abgebildet werden kann. Sobald dahingehend Empfehlungen vorliegen, wird das Bildungsministerium entscheiden, inwiefern und inwieweit davon auch der geschlechtergerechte Sprachgebrauch an den Schulen betroffen sein soll.

Universität:
Die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache ist an allen hochschulischen Einrichtungen rechtlich geboten.
  • Die Gleichstellung der Geschlechter ist im Universitätsgesetz 2002 (UG) als leitender Grundsatz verankert. Dazu gehört auch die Sichtbarmachung in der Sprache.
  •  Die gesetzliche Grundlage für geschlechtergerechte Formulierungen findet sich in § 10a des
    Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes (B-GlBG) , welches auf Grund von § 44 UG auf die Universitäten anzuwenden ist.
  • Die konkrete sprachliche Umsetzung liegt im Autonomiebereich der Universitäten, die im Regelfall eigene Sprachleitfäden haben.
Wissenschaftliche Arbeiten und Lehrveranstaltungen:
  •  Gemäß § 76 Abs. 2 UG haben die Leiterinnen und Leiter von Lehrveranstaltungen die Studierenden über die Beurteilungskriterien und die Beurteilungsmaßstäbe hinsichtlich der Prüfungsleistungen in den jeweiligen Lehrveranstaltungen zu informieren.
  •  Es obliegt somit den Leiterinnen und Leitern von Lehrveranstaltungen sowie
    Betreuerinnen und Betreuern von schriftlichen bzw. wissenschaftlichen Arbeiten, ob sie die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache als Beurteilungskriterium heranziehen oder nicht.
  •  Eine fehlende Umsetzung einer gendergerechten Sprache kann in die Beurteilung von Studienleistungen und insbesondere von schriftlichen Arbeiten, von Seminararbeiten bis hin zu Dissertationen, einfließen.
Pädagogische Hochschule:
Im Hochschulgesetz 2005 (HG) (§ 9 Abs. 6 Z 12) ist die Gleichbehandlung und Gleichstellung von Frauen und Männern als leitender Grundsatz festgelegt. Einige Pädagogische Hochschulen, darunter die Pädagogische Hochschule Niederösterreich, haben eigene Richtlinien für geschlechterinklusives Formulieren in schriftlichen Arbeiten herausgegeben.
(Quelle: Anfragebeantwortung vom 21. Juni 2021 des ehemaligen Bildungsministers Heinz Faßmann betreffend Gender Richtlinien an Schulen, Universitäten und im Bereich wissenschaftlichen Arbeitens)
1. Medizinische Praxis in Österreich

In Österreich werden Entscheidungen, ob, wann und wie medizinische Maßnahmen
durchgeführt werden, im Kindesalter möglichst zurückhaltend, unter intensiver Aufklärung der Eltern und in Abstimmung mit interdisziplinären Teams und unter wesentlicher Berücksichtigung der psychosozialen Aspekte, getroffen. Oberstes Ziel ist dabei die Erhaltung bzw. Ermöglichung der sexuellen Empfindsamkeit und der Fortpflanzungsfähigkeit.

 

2. Stellungnahme der Bioethikkommission „Intersexualität und Transidentität“

In diesem Sinne lautet auch die einstimmige Empfehlung der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt aus dem Jahr 2017, die weiterhin ihre Gültigkeit hat.

 

3. Entschließung des Nationalrates vom 16.06.2021: „Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen vor medizinisch nicht notwendigen Behandlungen an den Geschlechtsmerkmalen“

Der Nationalrat hat 2021 beschlossen, intergeschlechtliche Kinder und Jugendliche und ihre körperliche Unversehrtheit wirksam vor medizinischen Eingriffen, die „kein dauerhaftes körperliches Leiden, eine Gefährdung des Lebens oder die Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit bzw. starker Schmerzen abwenden“, schützen zu wollen.
Hintergrund dieses Anliegens ist die Sorge, dass intergeschlechtliche Kinder und Jugendliche „in vielen Staaten weltweit medizinisch nicht notwendige Behandlungen an den Geschlechtsmerkmalen, ohne vorherige, voll-informierte und höchstpersönliche Einwilligung“ erleben würden. Laut Berichten von Interessensvertretungen wie dem Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ) oder auch der Selbsthilfegruppe AGS Österreich verfolgen physische und psychische Belastungen, die mit diesen Eingriffen einhergehen, Betroffene mitunter ein Leben lang.

 

4. Kinder mit adrenogenitalem Syndrom (AGS)

Das Justizministerium verfolgt ein umfangreiches Vorhaben zu Adaptierungen im
Kindschaftsrecht. Dabei spielt die Frage, ob Kinder mit AGS (adrenogenitalem Syndrom) als intersexuell einzuordnen sind eine wichtige Rolle. AGS ist eine genetisch bedingte Erkrankung der Nebenniere, die mit einer Fehlbildung im Urogenitalbereich (Variante der Geschlechtsentwicklung, VdG, bzw. disorders/differencies of sexual development, DSD) einhergehen kann (Einstufung bei AGS Mädchen etwa nach Prader I-V). Während der VIMÖ (Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich) u.a. AGS den Varianten der Geschlechtsentwicklung (VdG) zuordnen möchte und daher auch bei diesen Kindern Eingriffe zur Angleichung meist rein anatomischer Abweichungen verboten wissen will, wehren sich die Betroffenenvertreter von Menschen mit AGS vehement gegen diese Einstufung. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich betonen die Selbsthilfegruppen, die nach eigenen Angaben fast alle Betroffenen und ihre Angehörigen zu ihren Mitgliedern zählen, dass das chromosomale Geschlecht sowie die inneren Geschlechtsorgane bei AGS-Kindern stets eindeutig seien und daher keine Einstufung als VdG gerechtfertigt werden könne.
Auch die Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt zeigte sich in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2017 skeptisch, AGS zu den Varianten der Geschlechtsentwicklung zu zählen.

Das Gesundheitsministerium hat im Jahr 2017 Empfehlungen für den Behandlungsprozess bei Geschlechtsdysphorie von Kindern und Jugendlichen bzw. bei Geschlechtsdysphorie und Transsexualismus von Erwachsenen ausgearbeitet.

Die Empfehlungen orientieren sich an internationalen Vorgaben ( Standards of Care for the Health of Transsexual, Transgender and Gender Noncoforming People der WPATH – World Professional Association for Transgender Health). Sie richten sich an alle im Behandlungsprozess beteiligten Berufsgruppen, an die mit der Vollziehung des Personenstandsrechts betrauten Verwaltungsbehörden und an betroffene Personen.

Die Empfehlungen sind rechtlich nicht bindend und sind nicht im Zusammenhang mit der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zu sehen.
Mehr zum in Österreich empfohlenen Behandlungsprozess erfahren Sie unter „Trans“.

Laut Entschließung 184/E vom 16.06.2021 werden Gesundheits- und Justizministerium ersucht, „eine Regierungsvorlage zum Schutz vor Konversions- und „reparativen“ Therapieformen auszuarbeiten, die zum Ziel hat, die Durchführung, Bewerbung und Vermittlung von Maßnahmen und Techniken, die auf eine Veränderung der sexuellen Orientierung bei Minderjährigen sowie bei Volljährigen, deren Einwilligung auf Willensmangel beruht, abzielen, verboten werden soll.“
Schreiben des BMASGK
Beirat für psychische Gesundheit

die Ausübung von Konversions- und vergleichbaren „reparativen Therapieformen“ an Minderjährigen bereits nach aktueller Rechtslage als unzulässig anzusehen ist und entsprechende berufsrechtliche und/oder strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde.

Die geltende Rechtslage bietet aus fachlicher Sicht bereits Maßnahmen und Instrumente, um der Ausübung derartiger Verfahren entgegen zu wirken.
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_07658/index.shtml

Der unbestimmte Begriff der „Konversionstherapie“ stößt auf Kritik. Es ist zwischen
unseriösen Angeboten und „Umpolungsversuchen“ und einem Recht auf professionelle Beratungs- und Therapieangebote für Menschen, die ihre Sexualität subjektiv konflikthaft erleben, zu unterscheiden.

informatives Rundschreiben an Behörden, Kammern und Berufsverbände versandt, in dem der Sachverhalt noch einmal erläutert und als bereits jetzt gesetzlich ausreichend geregelt beschrieben wurde. Die aktuelle Rechtslage sei jedoch keineswegs ausreichend, um Minderjährige vor diesen potenziell psychisch und physisch schädigenden Behandlungen zu schützen, urteilt Shetty. Diese würden nämlich oft außerhalb eines beruflichen oder therapeutischen Kontexts vollzogen
https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2020/PK1139/#

Wie Der Standard berichtet kam die eingesetzte Arbeitsgruppe im Gesundheitsministerium jedoch zu dem Schluss, dass ein Verbot nicht notwendig sei. Therapeuten würden im Fall von „reparativen“ Behandlungen gegen ihre Berufspflichten verstoßen, was bereits jetzt zivil- und strafrechtliche Folgen habe.

Bereits zu Beginn der Debatte im vergangenen Jahr machte das IEF auf die Probleme des seinerzeitigen Entschließungsantrages aufmerksam. Zum einen sei die mangelnde Abgrenzung des Begriffs ‚Konversionstherapie‘ irreführend und undifferenziert. Zum anderen verwies man – wie in Folge scheinbar auch die Arbeitsgruppe des Gesundheitsministeriums – auf die bereits vorhandene Rechtslage, die eine gezielte „Umpolung“ der sexuellen Orientierung schon heute untersage.  Zu unterscheiden von solchen unseriösen Angeboten seien jedoch “professionelle Beratungs- und Therapieangebote, die Menschen die Möglichkeit geben, ihre subjektiv konflikthaft erlebte (auch homosexuelle) Sexualität zu bearbeiten”.

Dass eine derart undifferenzierte Grundhaltung nur zu noch mehr Problemen führen würde, belegte u.a. ein ausführlicher Bericht des Magazins EMMA. Darin erzählen drei junge Frauen von ihrem Geschlechtswechsel zum Mann und ihrer Detransition zurück zum weiblichen Geschlecht (das IEF hat berichtet).
So berichten die Frauen unter anderem, wie schwierig es für Detransitionierer – also
Personen, die zu ihrem ursprünglichen Geschlecht zurückkehren wollen –  ist, einen
Therapeuten zu finden, da die meisten Berater nach einem transaffirmativen Ansatz
arbeiten, d.h. sie gehen grundsätzlich davon aus, dass Genderdysphorie vorliegt und bestärken die Bemühungen ihrer Patienten, das Geschlecht zu wechseln. Eine der Frauen geht dabei explizit auf das Problem ein, dass Therapieansätze, die „nicht hundertprozentig transaffirmativ“ sind, öfters als „Konversionstherapie“ diffamiert würden. Ein Problem, das in Deutschland durch das strafrechtlich sanktionierte Verbot von „Konversionstherapien“ nun sogar noch verstärkt wurde (das IEF hat berichtet).
Die Sensibilität nimmt jedoch weltweit zu. So berichtete jüngst etwa auch die BBC in einem ausführlichen Beitrag über Detransitionierer, ihre oftmals fehlerhaften Diagnosen der Genderdysphorie und den umständlichen Weg zurück zum eigenen Geschlecht.

Das Institut für Ehe und Familie (IEF) warnte daher im Vorfeld vor der Verwendung eines ungenügend differenzierten Sammelbegriffs. Ein zu weites Verständnis, wie es u.a. die zitierten Passagen aus der Begründung vermuten ließen, könnte den gegenteiligen Effekt bewirken und zu einer Einschränkung der Therapiefreiheit und sexuellen Selbstbestimmung führen. Durch das österreichische Psychotherapiegesetz seien unwissenschaftliche Methoden und veraltete oder menschenverachtende Ansätze ohnehin verboten. Der Handlungsbedarf sei im gegenständlichen Fall daher fraglich. Eine zu weit gefasste Definition von „Konversionstherapien“ würde hingegen auch professionelle Beratungs- und Therapieangebote, die Menschen die Möglichkeit geben, ihre subjektiv konflikthaft erlebte (auch homosexuelle) Sexualität zu bearbeiten, verbieten. Anstatt eines Pauschalverbots müsste vielmehr auf die Motive der Ratsuchenden und die Vielschichtigkeit ihrer Lebenssituationen eingegangen und eine klare Unterscheidung zwischen selbstbestimmt gewählten und aufgezwungenen Maßnahmen vorgenommen werden.
Zu bedenken sei auch die Auswirkung einer nicht klar abgegrenzten Definition auf die im Entschließungsantrag erwähnten „weiteren Helfer“, also unter anderem Laien in Selbsthilfegruppen, Beichtpriester und in der Seelsorge tätige Personen. Ein Verbot würde die Begleitung und Verkündigung im Sinne der katholischen Lehre und des christlichen Menschenbildes womöglich in die Illegalität treiben. Es gebe dazu bereits Beispiele aus Deutschland, wo christliche Organisationen gezielt Opfer von Rufschädigung durch mediale Verleumdungen oder Erwirkung gerichtlicher Verfügungen gegen Berater wurden. Das IEF forderte daher eine eingehende Befassung mit und klare Abgrenzung der Definition der verpönten “Therapien”.