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Geschichtliche Entwicklung

Geschichtliche Entwicklung

Frauen begannen im 19. Jahrhundert gegen die Vorherrschaft des Mannes zu rebellieren. Die Produktionsverhältnisse hatten sich verändert, wodurch sich auch die Rolle der Frau innerhalb der Familie veränderte. Bis ins 20. Jahrhundert hinein durften Frauen beispielsweise nicht auf höhere Schulen oder Universitäten gehen, nicht wählen, kein Bankkonto eröffnen, nur selten einen Beruf ausüben und keine öffentlichen Ämter oder Führungspositionen bekleiden. Zunächst forderten Frauen aus der gebildeten Mittelschicht gleiche Rechte wie die Männer. Sie kämpften insbesondere für politische Rechte, Bildungsrechte und bessere soziale Verhältnisse. Organisiert in christlichen Frauenvereinen setzten sie sich für den Schutz von Müttern und Familien ein. Ihre Forderungen sind in der westlichen Welt heute weitgehend erfüllt.

Parallel dazu entwickelte sich der kommunistische Widerstand gegen den Frühkapitalismus, als deren Vertreter Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895) bekannt sind. Diese griffen das Gleichberechtigungsthema auf und deuteten es in eine Klassenfrage um. Engels bezeichnete die Unterdrückung des weiblichen Geschlechts durch das männliche im Rahmen der Einzelehe als erste Klassenunterdrückung. Er forderte deshalb die Abschaffung der Familie, die gleichartige Eingliederung von Mann und Frau in den Arbeitsprozess sowie die öffentliche Kindererziehung.

Eine wesentliche Zäsur in der Entwicklung des Feminismus stellte die Philosophin und Feministin Simone de Beauvoir (1908–1986) dar. Von ihr stammt die folgenschwere Aussage: „Man wird nicht als Frau geboren, sondern zur Frau gemacht.“ Ihren Kampf um die „sexuelle Selbstbestimmung“ der Frau legte sie in ihrem Werk „Das andere Geschlecht (1949)“ dar. Sie propagierte die Legalisierung von Verhütung und Abtreibung als Mittel zur Emanzipation der Frau. Simone de Beauvoir und gleichgesinnte Feministinnen wollten mehr Gleichberechtigung für die Frauen erreichen und stellten sich dabei gegen die Ehe, die Familie sowie das Kind und traten für die vollständige Deregulierung der Sexualität ein.

Auf männlicher Seite war Magnus Hirschfeld (1868-1935) einer der ersten Aktivisten, der für die Legitimierung der Homosexualität eintrat. Er gilt als „Pionier der Sexualwissenschaft“ und entwickelte die Theorie, dass die binäre Geschlechterordnung zugunsten einer radikalen Individualisierung aufgelöst werden müsse. Seine politische Agenda veröffentlichte er als wissenschaftliche Theorie und behauptete, dass jeder Mann und jede Frau eine einzigartige Mischung männlicher und weiblicher Anteile sei. Hirschfeld kämpfte einerseits für die Akzeptanz der Homosexualität, andererseits ging er davon aus, dass Homosexualität eine „angeborene Missbildung“ sei. Er bezeichnete homosexuelle Männer und Frauen als „Unglückliche, Entrechtete, die den Fluch eines geheimnisvollen Rätsels der Natur durch ihr einsames Leben schleppen“. Und weiter: „Jedem Arzt, der neue Behandlungsmöglichkeiten aufweist, müssen wir dankbar sein, da vielen Homosexuellen der gewiss berechtigte Wunsch innewohnt, heterosexuell zu sein.“ Hirschfeld gründete 1908 die „Zeitschrift für Sexualwissenschaft“ und 1919 das „Institut für Sexualwissenschaft“, das in Europas Hauptstädten Kongresse für „Sexualreform auf wissenschaftlicher Grundlage“ organisierte. 1923 gründete er das „Institut für Freikörperkultur“ und 1928 die „Weltliga für Sexualreform“, womit er die Grundlage für die internationale Vernetzung von Homosexuellen-Bewegungen legte. Außerdem erkannte er das Potential der Medien und initiierte die Produktion des Films „Anders als die Anderen“, bei dem er selbst mitwirkte. Auf seinen Grabstein in Nizza ist sein Leitmotto graviert: „Per scientiam ad iustitia“ („Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit“). Das Vermächtnis von Hirschfeld wirkt weiter, etwa indem die 1990 gegründete deutsche „Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung“ die Magnus-Hirschfeld-Medaille für besondere Verdienste um Sexualwissenschaft und Sexualreform verleiht oder in der 2011 mit 10 Millionen errichteten deutschen „Bundesstiftung Magnus Hirschfeld“.

Um „Zwangsehe“ und „Zwangsfamilie als Erziehungsapparat“ zu eliminieren und im Rahmen der „Orgasmustheorie“ gesund zu bleiben, setzte der Schüler Sigmund Freuds (1856-1939), Wilhelm Reich (1897-1957), auf die Sexualisierung der Massen und der Kinder. Dadurch wollte er nach eigenen Worten „die infantilen Bindungen an die Eltern und damit die sexuelle Repression“ auflösen. Reich ging davon aus, dass die Sexualisierung des Menschen seine Beziehungen zu Autoritäten zerstöre. Dies wiederum sei ein notwendiger Schritt, um „frei“ zu werden. Reich behauptete, dass der Mensch glücklich werde, wenn er seine sexuellen Bedürfnisse ohne jede Einschränkung befriedigen könne. Neben Massenveranstaltungen, die er für Erwachsene organisierte, versuchte er Kinder und Jugendliche von der „sexualverneinenden und -verleugnenden Erziehung“ zu befreien und sie durch Sexualisierung aus dem Familienverband zu lösen. Wissenschaftlich untermauerte er seine Thesen mit der Psychoanalyse. Weil er einen Apparat zur Produktion von „Lebensenergie“ erfand und verkaufte, wurde er wegen Betrug zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Er starb 1957 im Zuchthaus Lewisburg. Seine Theorien wurden später teilweise von Adorno, Horkheimer und Marcuse im Rahmen der „Frankfurter Schule“ übernommen und durch die 68er-Revolution weitergegeben.

Hatte Hirschfeld Anfang des 20. Jahrhunderts den theoretischen Grundstein für die Gender Theorie gelegt, setzte der Psychiater John Money (1921-2006) diese in die medizinische Praxis um. In den 1960er Jahren eröffnete er die erste Klinik für operative Geschlechtsumwandlung, die Gender Identity Clinic, in Baltimore/USA. Money führte die Begriffe „Geschlechtsidentität“ („gender identity“) und „Geschlechterrolle“ („gender role“) ein. Bis heute wird er zu den einflussreichsten US-amerikanischen Sexualwissenschaftlern des 20. Jahrhunderts gezählt.

Internationale Bekanntheit erlangte Money durch ein Experiment an einem 2-jährigen Zwillingsjungen (der sog. Fall „John/Joan“). Money riet 1967 den Eltern des knapp zwei Jahre alten Jungen Bruce Reimer, ihren Sohn einer feminisierenden Operation zu unterziehen, nachdem dessen Penis bei einer medizinisch indizierten Zirkumzision versehentlich irreparabel verletzt worden war. Die entsprechende Operation wurde vorgenommen als Bruce 22 Monate alt war. Ab dem 12. Lebensjahr wurde er mit weiblichen Hormonen behandelt. Man sah dies als Gelegenheit, im Rahmen einer Zwillingsstudie zu beobachten, ob das Kind sich anders entwickeln würde als sein Zwillingsbruder. „Brenda“, wie Bruce nun genannt wurde, nahm die zugewiesene Geschlechterrolle jedoch nicht an. Ab elf Jahren quälten ihn Selbstmordgedanken. Mit 13 Jahren erfuhr er, dass er als Junge auf die Welt gekommen war und ließ die „Geschlechtsumwandlung“ rückgängig machen. Fortan nannte er sich David. Im Frühjahr 2004 beging David Reimer Suizid. Zwei Jahre zuvor war sein Zwillingsbruder durch eine Medikamentenüberdosis gestorben. John Money benutzte das Experiment als wissenschaftlichen Beweis für die gefahrlose operative Geschlechtsumwandlung. Zahlreiche Aktivisten und Theoretiker im Bereich Gender und Feminismus taten es ihm gleich.

Money befürwortete die Sexualisierung von Kindern. Er sprach sich für sexuelle Schulung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen aus, die seiner Ansicht nach auch spielerische Proben und Pornografie miteinschließen sollte. Seiner Meinung nach sollten alle sexuellen Beziehungen, insbesondere auch solche zwischen Jugendlichen und Erwachsenen, als besondere Fälle von „Paarbindungen“ aufgefasst werden. Er verurteilte „Tabus“ ebenso wie eine Viktimologie, die einen der Beteiligten allein zum Täter macht, den anderen allein als Opfer herausstellt. Seine Kritiker sehen darin eine Tendenz, Pädophilie zu rechtfertigen und zu entschuldigen. Sexuelle Perversionen bis hin zu Lustmord ordnete er als „Paraphilien“, als „abweichende Vorlieben“, ein.

Judith Butler (1954-) ist eine der prägendsten Gender-Theoretikerinnen unserer Zeit. Ihr 1990 erschienenes Buch „Gender Trouble – Feminism and the Subversion of Identity“ (Deutscher Buchtitel: „Das Unbehagen der Geschlechter“) wird als Grundlagenwerk der Gender-Theorie verstanden. Butlers Leitfrage ist: „Wie kann man am besten die Geschlechter-Kategorie stören, die die Geschlechter-Hierarchie und die Zwangsheterosexualität stützen? (…) Die Aufgabe der vorliegenden Untersuchung ist (…), den Phallogozentrismus und die Zwangsheterosexualität (…) zu dezentrieren (…) und die starren, hierarchischen sexuellen Codes wirksam zu de-regulieren.“ Seither prägt Butler mit der „subversiven Gender-Theorie“ die Gender-Mainstreaming Agenda. Butler geht davon aus, dass es das biologische Geschlecht gar nicht gibt, sondern dieses eine Fiktion der Sprache sei. Das biologische Geschlecht werde durch Sprache erzeugt. Es gebe laut Butler kein männliches oder weibliches Wesen, sondern nur eine bestimmte „performance“, ein Verhalten, das sich jederzeit ändern könne. Im „Inzesttabu“ (kulturelle Norm, die Sexualität zwischen Mitgliedern der Kernfamilie ausschließt) sieht Butler die Ursache der „Zwangsidentifizierung“ mit männlichem oder weiblichem Geschlecht und dem Tabu gegen die Homosexualität. Ziel Butlers ist die Auflösung der Geschlechtsidentität. Dann emanzipiere sich das Individuum aus der „Diktatur der Natur“. Nur solange es Frauen gebe, könnten Frauen unterdrückt werden, nur solange es „heterosexuelle Zwangsnormativität“ gebe, könnten „andere Formen des Begehrens“ ausgegrenzt werden. Obgleich sie für die vollständige Auflösung der Geschlechterkategorien eintritt, erklärt sie, dass es „strategisch oder übergangsweise sinnvoll ist, sich auf die Frauen zu berufen, um in ihrem Interesse repräsentative Forderungen zu erheben“.

Butler gilt außerdem als eine der wichtigsten „queer“-Theoretikerinnen. Das Wort „queer“ solle die Gefangenschaft in Begriffen aufheben, die selbst in der Negation der Heterosexualität diese immer noch voraussetze. Als „queer“ könne alles bezeichnet werden, was nicht straight (im Sinne von heterosexuell) ist. Die Polarität von Hetero- und Homosexualität solle zugunsten einer vollständigen Auflösung der geschlechtlichen Identität weichen, weil erst dann die „Hegemonie der Zwangsheterosexualität“ gänzlich überwunden werde und der Mensch die völlige Freiheit der Selbsterfindung erlange.

Quelle: Texte übernommen aus “Die globale sexuelle Revolution” von Kuby Gabriele (2012), 1. Aufl., Kißleg

männlich  –
weiblich  –
inter nur intersexuelle Personen
divers nur intersexuelle Personen
offen nur Neugeborene, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen
Streichung des Geschlechtseintrags  –
1. Personenstandsregister

Die Eintragung des Geschlechts erfolgt durch den Anzeiger der Geburt, also in der Regel den Arzt oder die Hebamme. Eine spätere Änderung bzw. Berichtigung der Eintragung erfolgt auf Basis eines Fachgutachtens.

Rechtsgrundlage:

Erlass des Bundesinnenministerium, der gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsministerium und dem Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt erarbeitet wurde.
Der Erlass regelt, wie mit der Geschlechtseintragung im Zentralen Personenstandsregister umgegangen werden soll. Neben den Eintragungsmöglichkeiten „männlich“ und „weiblich“ steht nun auch „inter“, „divers“ und „offen“ zur Verfügung, sowie die Möglichkeit der Streichung des Geschlechtseintrags.

Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom 15. Juni 2018

Das österreichische Personenstandsgesetz fordert die Angabe des Geschlechts als
Personenstandsdatum. Der intergeschlechtliche Antragsteller begehrte im Anlassverfahren statt „männlich“ oder „weiblich“ die Bezeichnung „inter“ oder etwas Ähnliches anführen zu dürfen und begründete dies mit seinem Recht auf individuelle Geschlechtsidentität, das laut Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aus Art 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) abgeleitet werden könne.

Der VfGH bestätigte dieses Recht, kam aber zu dem Schluss, dass die Bestimmung des österreichischen Personenstandsrechts nicht verfassungswidrig sei und daher nicht aufgehoben werden musste. Vielmehr sei der von § 2 Abs 2 Z 3 Personenstandsgesetz (PStG) 2013 verwendete Begriff des Geschlechts so allgemein, dass er sich ohne Schwierigkeiten dahingehend verstehen lasse, dass er auch alternative Geschlechtsidentitäten miteinschließe, so das Höchstgericht.

Da sich entsprechend der Judikatur des EGMR aus Artikel 8 EMRK ein Recht auf individuelle Geschlechtsidentität ableite, ergebe sich daraus laut VfGH insbesondere auch das Recht von Menschen mit „alternativer Geschlechtsidentität“, sich nicht einem fremdbestimmten Geschlecht zuweisen lassen zu müssen. Daraus ergebe sich die Pflicht des Gesetzgebers, „eine Zuordnung zu einem Geschlecht solange offen zu lassen, bis Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich eine solche selbstbestimmte Zuordnung ihrer Geschlechtsidentität möglich ist“.

Dieses Recht umfasse auch die Pflicht von Personenstandsbehörden, bei Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber „männlich“ oder „weiblich“ auf Antrag eine alternative Bezeichnung einzutragen. Das Höchstgericht nimmt dabei Bezug auf die Stellungnahme der Bioethikkommission und zitiert die Bezeichnungen „divers“, „inter“ oder „offen“. Diese Bezeichnungen brächten „im Sprachgebrauch mit hinreichender Deutlichkeit das Gemeinte“ zum Ausdruck, „nämlich das Geschlecht bzw. die Geschlechtsidentität eines Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich, der sich keinem der konventionellen Geschlechter zugehörig fühlt“.

Das österreichische Personenstandsgesetz sah schon vorher die Möglichkeit vor, Angaben zum Geschlecht bei nicht eindeutiger Zuordenbarkeit offen zu lassen. Seit der VfGH-Entscheidung muss bei der Erhebung des Personenstandsdatums „Geschlecht“ auch die Möglichkeit eingeräumt werden, positiv eintragen zu lassen, dass man sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlt.

Dem Gesetz- und Verordnungsgeber sei es zudem unbenommen, eine konkretere
Festlegung (und begriffliche Eingrenzung) „der Bezeichnung des Geschlechts als allgemeines Personenstandsdatum für Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich“ vorzunehmen. „Art 8 EMRK verlange nämlich keine beliebige Wahl der begrifflichen Bezeichnung des eigenen Geschlechts.“, so der Verfassungsgerichtshof.

Voraussetzungen für die Änderung der Geschlechtseintragung (Personenstandsänderung) in Österreich:

1. Vorhandensein einer „zwanghaften“ Vorstellung im falschen Geschlecht zu leben,
2. Vornahme geschlechtskorrigierender Maßnahmen, die eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts gewährleisten,
3. hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich am Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nichts mehr ändern wird.

Eine geschlechtsumwandende Operation gehört seit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 2008 nicht mehr zu den Voraussetzungen einer Änderung des Geschlechtseintrags.

Standesämter haben unter Berücksichtigung des vom Verwaltungsgerichtshof formulierten Voraussetzungen über Anträge auf Personenstandsänderung zu entscheiden.

rechtsgrundlage:

§ 41 Personenstandsgesetz

In Österreich ist ein juristischer Geschlechtswechsel nach § 41 Personenstandsgesetz möglich. Der Paragraf sieht vor, dass eine Personenstandsbehörde eine Eintragung zu ändern hat, wenn sie nach der Eintragung unrichtig geworden ist.

Urteil des Verwaltungsgerichtshofs 27. Februar 2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Urteil entschieden, “dass ein schwerwiegender operativer Eingriff, wie etwa die von der belangten Behörde geforderte Entfernung der primären Geschlechtsmerkmale, keine notwendige Voraussetzung für eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts ist”.
Das Gericht formulierte daraufhin die Voraussetzungen nach welchen die Personenstandsbehörde die Beurkundung des Geschlechts im Personenstandsregister zu ändern hat: “In Fällen, in denen eine Person unter der zwanghaften Vorstellung gelebt hat, dem anderen Geschlecht zuzugehören, und sich geschlechtskorrigierender Maßnahmen unterzogen hat, die zu einer deutlichen Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts geführt haben, und bei der mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass sich am Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nichts mehr ändern wird”.

Der Leitfaden des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung bildet die Grundlage für die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache an Schulen, Universitäten und bei wissenschaftlichen Arbeiten und zeigt verschiedene Formen der geschlechtergerechten Sprache auf. Das sogenannte „Binnen-I“ wird in dem Leitfaden – entsprechend den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Rechtschreibrates – nicht empfohlen.

Schule:
  •  Geschlechtergerechte Sprache soll in einer altersadäquaten und praktikablen Art und Weise vermittelt werden.
  •  Lehrkräfte sind im jeweiligen fachlichen Zuständigkeitsbereich für die Vermittlung und Umsetzung verantwortlich
  •  Bei der frühen Schrift-/Sprachvermittlung steht die Erlernbarkeit im Mittelpunkt. Dies schließt die Anwendung und Vermittlung einer geschlechtergerechten Sprache jedoch keinesfalls aus.

Es gibt bundesweit Bestrebungen, Empfehlungen zu entwickeln, wie Geschlechtervielfalt sprachlich adäquat abgebildet werden kann. Sobald dahingehend Empfehlungen vorliegen, wird das Bildungsministerium entscheiden, inwiefern und inwieweit davon auch der geschlechtergerechte Sprachgebrauch an den Schulen betroffen sein soll.

Universität:
Die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache ist an allen hochschulischen Einrichtungen rechtlich geboten.
  • Die Gleichstellung der Geschlechter ist im Universitätsgesetz 2002 (UG) als leitender Grundsatz verankert. Dazu gehört auch die Sichtbarmachung in der Sprache.
  •  Die gesetzliche Grundlage für geschlechtergerechte Formulierungen findet sich in § 10a des
    Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes (B-GlBG) , welches auf Grund von § 44 UG auf die Universitäten anzuwenden ist.
  • Die konkrete sprachliche Umsetzung liegt im Autonomiebereich der Universitäten, die im Regelfall eigene Sprachleitfäden haben.
Wissenschaftliche Arbeiten und Lehrveranstaltungen:
  •  Gemäß § 76 Abs. 2 UG haben die Leiterinnen und Leiter von Lehrveranstaltungen die Studierenden über die Beurteilungskriterien und die Beurteilungsmaßstäbe hinsichtlich der Prüfungsleistungen in den jeweiligen Lehrveranstaltungen zu informieren.
  •  Es obliegt somit den Leiterinnen und Leitern von Lehrveranstaltungen sowie
    Betreuerinnen und Betreuern von schriftlichen bzw. wissenschaftlichen Arbeiten, ob sie die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache als Beurteilungskriterium heranziehen oder nicht.
  •  Eine fehlende Umsetzung einer gendergerechten Sprache kann in die Beurteilung von Studienleistungen und insbesondere von schriftlichen Arbeiten, von Seminararbeiten bis hin zu Dissertationen, einfließen.
Pädagogische Hochschule:
Im Hochschulgesetz 2005 (HG) (§ 9 Abs. 6 Z 12) ist die Gleichbehandlung und Gleichstellung von Frauen und Männern als leitender Grundsatz festgelegt. Einige Pädagogische Hochschulen, darunter die Pädagogische Hochschule Niederösterreich, haben eigene Richtlinien für geschlechterinklusives Formulieren in schriftlichen Arbeiten herausgegeben.
(Quelle: Anfragebeantwortung vom 21. Juni 2021 des ehemaligen Bildungsministers Heinz Faßmann betreffend Gender Richtlinien an Schulen, Universitäten und im Bereich wissenschaftlichen Arbeitens)
1. Medizinische Praxis in Österreich

In Österreich werden Entscheidungen, ob, wann und wie medizinische Maßnahmen
durchgeführt werden, im Kindesalter möglichst zurückhaltend, unter intensiver Aufklärung der Eltern und in Abstimmung mit interdisziplinären Teams und unter wesentlicher Berücksichtigung der psychosozialen Aspekte, getroffen. Oberstes Ziel ist dabei die Erhaltung bzw. Ermöglichung der sexuellen Empfindsamkeit und der Fortpflanzungsfähigkeit.

2. Stellungnahme der Bioethikkommission „Intersexualität und Transidentität“

In diesem Sinne lautet auch die einstimmige Empfehlung der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt aus dem Jahr 2017, die weiterhin ihre Gültigkeit hat.

3. Entschließung des Nationalrates vom 16.06.2021: „Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen vor medizinisch nicht notwendigen Behandlungen an den Geschlechtsmerkmalen“

Der Nationalrat hat 2021 beschlossen, intergeschlechtliche Kinder und Jugendliche und ihre körperliche Unversehrtheit wirksam vor medizinischen Eingriffen, die „kein dauerhaftes körperliches Leiden, eine Gefährdung des Lebens oder die Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit bzw. starker Schmerzen abwenden“, schützen zu wollen.
Hintergrund dieses Anliegens ist die Sorge, dass intergeschlechtliche Kinder und Jugendliche „in vielen Staaten weltweit medizinisch nicht notwendige Behandlungen an den Geschlechtsmerkmalen, ohne vorherige, voll-informierte und höchstpersönliche Einwilligung“ erleben würden. Laut Berichten von Interessensvertretungen wie dem Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ) oder auch der Selbsthilfegruppe AGS Österreich verfolgen physische und psychische Belastungen, die mit diesen Eingriffen einhergehen, Betroffene mitunter ein Leben lang.

4. Kinder mit adrenogenitalem Syndrom (AGS)

Das Justizministerium verfolgt ein umfangreiches Vorhaben zu Adaptierungen im
Kindschaftsrecht. Dabei spielt die Frage, ob Kinder mit AGS (adrenogenitalem Syndrom) als intersexuell einzuordnen sind eine wichtige Rolle. AGS ist eine genetisch bedingte Erkrankung der Nebenniere, die mit einer Fehlbildung im Urogenitalbereich (Variante der Geschlechtsentwicklung, VdG, bzw. disorders/differencies of sexual development, DSD) einhergehen kann (Einstufung bei AGS Mädchen etwa nach Prader I-V). Während der VIMÖ (Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich) u.a. AGS den Varianten der Geschlechtsentwicklung (VdG) zuordnen möchte und daher auch bei diesen Kindern Eingriffe zur Angleichung meist rein anatomischer Abweichungen verboten wissen will, wehren sich die Betroffenenvertreter von Menschen mit AGS vehement gegen diese Einstufung. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich betonen die Selbsthilfegruppen, die nach eigenen Angaben fast alle Betroffenen und ihre Angehörigen zu ihren Mitgliedern zählen, dass das chromosomale Geschlecht sowie die inneren Geschlechtsorgane bei AGS-Kindern stets eindeutig seien und daher keine Einstufung als VdG gerechtfertigt werden könne.
Auch die Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt zeigte sich in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2017 skeptisch, AGS zu den Varianten der Geschlechtsentwicklung zu zählen.

Das Gesundheitsministerium hat im Jahr 2017 Empfehlungen für den Behandlungsprozess bei Geschlechtsdysphorie von Kindern und Jugendlichen bzw. bei Geschlechtsdysphorie und Transsexualismus von Erwachsenen ausgearbeitet.

Die Empfehlungen orientieren sich an internationalen Vorgaben (Standards of Care for the Health of Transsexual, Transgender and Gender Noncoforming People der WPATH – World Professional Association for Transgender Health). Sie richten sich an alle im Behandlungsprozess beteiligten Berufsgruppen, an die mit der Vollziehung des Personenstandsrechts betrauten Verwaltungsbehörden und an betroffene Personen.

Die Empfehlungen sind rechtlich nicht bindend und sind nicht im Zusammenhang mit der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zu sehen.
Mehr zum in Österreich empfohlenen Behandlungsprozess erfahren Sie unter „Trans“.

Laut Entschließung 184/E vom 16.06.2021 werden Gesundheits- und Justizministerium ersucht, „eine Regierungsvorlage zum Schutz vor Konversions- und „reparativen“ Therapieformen auszuarbeiten, die zum Ziel hat, die Durchführung, Bewerbung und Vermittlung von Maßnahmen und Techniken, die auf eine Veränderung der sexuellen Orientierung bei Minderjährigen sowie bei Volljährigen, deren Einwilligung auf Willensmangel beruht, abzielen, verboten werden soll.“
Schreiben des BMASGK
Beirat für psychische Gesundheit

die Ausübung von Konversions- und vergleichbaren „reparativen Therapieformen“ an Minderjährigen bereits nach aktueller Rechtslage als unzulässig anzusehen ist und entsprechende berufsrechtliche und/oder strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würde.

Die geltende Rechtslage bietet aus fachlicher Sicht bereits Maßnahmen und Instrumente, um der Ausübung derartiger Verfahren entgegen zu wirken.
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_07658/index.shtml

Der unbestimmte Begriff der „Konversionstherapie“ stößt auf Kritik. Es ist zwischen
unseriösen Angeboten und „Umpolungsversuchen“ und einem Recht auf professionelle Beratungs- und Therapieangebote für Menschen, die ihre Sexualität subjektiv konflikthaft erleben, zu unterscheiden.

informatives Rundschreiben an Behörden, Kammern und Berufsverbände versandt, in dem der Sachverhalt noch einmal erläutert und als bereits jetzt gesetzlich ausreichend geregelt beschrieben wurde. Die aktuelle Rechtslage sei jedoch keineswegs ausreichend, um Minderjährige vor diesen potenziell psychisch und physisch schädigenden Behandlungen zu schützen, urteilt Shetty. Diese würden nämlich oft außerhalb eines beruflichen oder therapeutischen Kontexts vollzogen
https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2020/PK1139/#

Wie Der Standard berichtet kam die eingesetzte Arbeitsgruppe im Gesundheitsministerium jedoch zu dem Schluss, dass ein Verbot nicht notwendig sei. Therapeuten würden im Fall von „reparativen“ Behandlungen gegen ihre Berufspflichten verstoßen, was bereits jetzt zivil- und strafrechtliche Folgen habe.

Bereits zu Beginn der Debatte im vergangenen Jahr machte das IEF auf die Probleme des seinerzeitigen Entschließungsantrages aufmerksam. Zum einen sei die mangelnde Abgrenzung des Begriffs ‚Konversionstherapie‘ irreführend und undifferenziert. Zum anderen verwies man – wie in Folge scheinbar auch die Arbeitsgruppe des Gesundheitsministeriums – auf die bereits vorhandene Rechtslage, die eine gezielte „Umpolung“ der sexuellen Orientierung schon heute untersage.  Zu unterscheiden von solchen unseriösen Angeboten seien jedoch “professionelle Beratungs- und Therapieangebote, die Menschen die Möglichkeit geben, ihre subjektiv konflikthaft erlebte (auch homosexuelle) Sexualität zu bearbeiten”.

Dass eine derart undifferenzierte Grundhaltung nur zu noch mehr Problemen führen würde, belegte u.a. ein ausführlicher Bericht des Magazins EMMA. Darin erzählen drei junge Frauen von ihrem Geschlechtswechsel zum Mann und ihrer Detransition zurück zum weiblichen Geschlecht (das IEF hat berichtet).
So berichten die Frauen unter anderem, wie schwierig es für Detransitionierer – also
Personen, die zu ihrem ursprünglichen Geschlecht zurückkehren wollen –  ist, einen
Therapeuten zu finden, da die meisten Berater nach einem transaffirmativen Ansatz
arbeiten, d.h. sie gehen grundsätzlich davon aus, dass Genderdysphorie vorliegt und bestärken die Bemühungen ihrer Patienten, das Geschlecht zu wechseln. Eine der Frauen geht dabei explizit auf das Problem ein, dass Therapieansätze, die „nicht hundertprozentig transaffirmativ“ sind, öfters als „Konversionstherapie“ diffamiert würden. Ein Problem, das in Deutschland durch das strafrechtlich sanktionierte Verbot von „Konversionstherapien“ nun sogar noch verstärkt wurde (das IEF hat berichtet).
Die Sensibilität nimmt jedoch weltweit zu. So berichtete jüngst etwa auch die BBC in einem ausführlichen Beitrag über Detransitionierer, ihre oftmals fehlerhaften Diagnosen der Genderdysphorie und den umständlichen Weg zurück zum eigenen Geschlecht.

Das Institut für Ehe und Familie (IEF) warnte daher im Vorfeld vor der Verwendung eines ungenügend differenzierten Sammelbegriffs. Ein zu weites Verständnis, wie es u.a. die zitierten Passagen aus der Begründung vermuten ließen, könnte den gegenteiligen Effekt bewirken und zu einer Einschränkung der Therapiefreiheit und sexuellen Selbstbestimmung führen. Durch das österreichische Psychotherapiegesetz seien unwissenschaftliche Methoden und veraltete oder menschenverachtende Ansätze ohnehin verboten. Der Handlungsbedarf sei im gegenständlichen Fall daher fraglich. Eine zu weit gefasste Definition von „Konversionstherapien“ würde hingegen auch professionelle Beratungs- und Therapieangebote, die Menschen die Möglichkeit geben, ihre subjektiv konflikthaft erlebte (auch homosexuelle) Sexualität zu bearbeiten, verbieten. Anstatt eines Pauschalverbots müsste vielmehr auf die Motive der Ratsuchenden und die Vielschichtigkeit ihrer Lebenssituationen eingegangen und eine klare Unterscheidung zwischen selbstbestimmt gewählten und aufgezwungenen Maßnahmen vorgenommen werden.
Zu bedenken sei auch die Auswirkung einer nicht klar abgegrenzten Definition auf die im Entschließungsantrag erwähnten „weiteren Helfer“, also unter anderem Laien in Selbsthilfegruppen, Beichtpriester und in der Seelsorge tätige Personen. Ein Verbot würde die Begleitung und Verkündigung im Sinne der katholischen Lehre und des christlichen Menschenbildes womöglich in die Illegalität treiben. Es gebe dazu bereits Beispiele aus Deutschland, wo christliche Organisationen gezielt Opfer von Rufschädigung durch mediale Verleumdungen oder Erwirkung gerichtlicher Verfügungen gegen Berater wurden. Das IEF forderte daher eine eingehende Befassung mit und klare Abgrenzung der Definition der verpönten “Therapien”.